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Münchener Stadtbuch

LI. Das Bier, der Bock, das Hofbräuhaus.

schaarenweise herbei, in einigen Augenblicken sind alle Tische und Bänke, Zimmer und Arkaden besetzt, ja selbst der weite Hofraum ist von Gästen angefüllt, die keinen Platz zum Sitzen mehr fanden und froh sind, vielleicht ein leeres Faß zu sinden, auf dem sie kampiren können. Wir selbst haben uns mit der Menge hineindrängt. Vor allem erblicken wir hoch an der Wand das Wappen, das in keinem Bocklokale fehlen darf, einen Geisbock darstellend, der mit gewaltigen Hörnern ein volles Glas umstößt, das Sprichwort andeutend: „Den hat der Bock gestoßen!" Nun gilt es vor Allem, sich ein Trinkgeschirr zu erobern, denn keine dienstfreundliche Kellnerin als Hebe kredenzt das schäumende Glas, kein Garyon im schwarzen Fracke und mit Glaeshandschuhen bedient die durstigen Gaste, kein Aufwärter frägt sie um ihr Begehren ; Jedermann ist angewiesen, sich selbst zu bedienen. Das hier ausschließend gebräuchliche Trinkgeschirr ist kein zierlicher Krug oder ein sogenanntes Halbeglas, sondern das „Bockglas", ein gläserner Pokal, eine halbe Maß enthaltend. Waren wir nun so glücklich, ein solches Bockglas zu erringen, so beginnt nun der Sturm auf die Schenke, in welcher aus den Fäßern das edle Naß läuft. Welches Gedränge hier, welches Drücken, Zerren und Stoßen! Gleicher Andrang findet täglich während der ganzen Bockzeit statt.

Endlich haben wir alle diese Mühen und Kämpfe durchgemacht, und selig und stillvergnügt sitzen wir an der Bank, mit Wohlbehagen den Nektar schlürfend. Aus jedem uns umgebenden Gesichte erblicken wir die gewichtige Kennermiene, und das hellleuchtende Antlitz verräth die Wonne, wenn der Bock wirklich von der gehofften Güte ist.

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