Veranstaltungen - Geschichte - Kunst & Denkmal
Die Stunden, während welcher der Bockkeller von der Elite der Münchener Bockliebhaber gefüllt ist, sind Vormittags zwischen 10 und 1 Uhr. Zu dieser Zeit ist hier die eigentliche süddeutsche Gemüthlichkeit zu finden; hier sind alle Stände durcheinander gemischt, hier gibt es keinen Rangunterschied, keinen Standesvorzug, keine Ausscheidung der verschiedenen Klassen der Gesellschaft; der General oder Oberst sitzt neben dem gewöhnlichen Schreiber, der Kollegial-Direktor oder Rath neben dem Unteroffizier, der Bürgermeister oder Magistratsrath neben dem Packträger, der Geldaristokrat neben dem Proletarier, der Hochadelige neben dem Plebejer, der Ultramontane neben dem Freidenker oder Freimaurer; hier allein ist ächte Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, hier allein ist das deutsche Volk einig, hier allein herrscht ungetrübte Harmonie!
Kaum haben wir kurze Zeit Platz genommen/ so schreiten zur Thüre herein auffallende weibliche Gestalten, alt, häßlich, schmutzig und zerlumpt, wir vermeinen die Grazien aus Shakespeares Makbeth aus einer Theaterversenkung emporsteigen zu sehen! Diese sind die Münchener Damen der Halle, hier „Radiweiber" genannt. Diese waren vielleicht vor vielen Jahren auch schöne, blühende, flotte Kellnerinen, die zierlichen Koketten der Kaffee- und Gasthäuser, das begehrliche Ziel der blasirten jungen Modeherrn und der alten verliebten Gecken und Narren, zahlreiche Huldigungen begehrend und empfangend. Nachdem sie eine Zeitlang Furore und Eroberungen gemacht, zahlreiche Feldzüge der Liebe durchgekämpft, dann ausser Kurs gekommen und endlich gealtert sind, treten sie in das Invalidenthum ein und werden „Radi- und Nußweiber!"
„Das ist das Loos des Schönen auf der Erde!"
(Schiller.)