Rambaldi(1894) - Kazmairstraße

Rambaldi - 1894

Beschreibung: 324. Kazmaierstraße. Führt an der nördlichen Mauer der ehemaligen Schießstätte entlang und verbindet die Theresienhöhe mit der Ganghoferstraße Zur Erinnerung an Jörg Kazmair, (Pilotybild 87) *), welcher 1397 in einer schweren Zeit Bürgermeister der Stadt München war, da die Bürgerschaft in zwei Parteien gespalten war, die sich grimmig haßten (1397—1403). Die Veranlassung war folgende: Die vornehmeren Familien der Stadt, die sogenannten Patrizier, hatten sich wie in den übrigen Städten des Mittelalters allmählich der ausschließlichen Leitung und Verwaltung der Stadt bemächtigt, ohne über die Verausgabung der Gelder den übrigen steuerzahlenden Bürgern Rechenschaft abzulegen. Letztere, im Laufe der Zeit an Zahl und Besitz bedeutend geworden, wollten nun ebenfalls am Stadtreginiente Anteil bekommen, und gerieten deshalb mit den bisherigen Gewalthabern in Streit. Die Uneinigkeit unter den Bürgern wurde noch vermehrt durch die Zwistigkeiten der Herzoge von München und von Ingolstadt, welche sich um den Besitz Münchens stritten, und von denen jeder unter der Bürgerschaft daselbst sich Anhänger zu erwerben suchte. Die vornehmeren Bürger oder Patrizier hielten zu den Herzogen Ernst und Wilhelm von München, die niederen Bürger zu den Herzogen Stephan und dessen Sohn Ludwig dem Gebaxteten von Ingolstadt. So kam es 1397 zu Unruhen, die bald in einen völligen Ausstand der niederen Bürger gegen die Ratsherrn ausarteten.**) Viele der Letzteren wurden gewaltsam aus der Stadt vertrieben, ihr Vermögen eingezogen. Bürgermeister Kazmair, ein ruhiger besonnener Mann, suchte zu vermitteln und zu versöhnen, mußte aber zuletzt selbst aus der Stadt fliehen. Vom 3. Aug. 1398 bis Mai 1403 mied Kazmair die Hauptstadt und wartete in Tölz den Verlauf der Ereignisse ab. Nach seiner Rückkehr versah er neben seinem Geschäfte als Kaufmann sofort wieder bürgerliche Aemter und Ehrenstellen und schrieb die »Geschichte Münchens unter der Vier- herzog-Regierung 1397—1403,« die handschriftlich in der K. Staats- bibliothek aufbewahrt und eine vorzügliche Geschichtsquelle jener ver- worrenen Zeitbegebenheiten ist. Jörg starb am 18. Hornung 1407, ***) sein Sohn Martin war im inneren Rate der Stadt von 1447—79, wurde 1480 seines hohen Alters wegen nur mehr in den äußeren Rat als dessen Senior gewählt und starb 1481. Er machte im Jahre 1476 eine Seelhausstiftung, die durch Beschluß des Magistrats vom 31. Mai 1825 und der Gemeindebevollmächtigten vom 30. Juni desselben Jahres aufgehoben und kurz hierauf am 4. Oktober mit dem Heiliggeist-Spitale vereinigt wurde. Das bis dahin angewachsene Vermögen betrug 88 551 Gulden ****) O Das Seelhaus in der Fingergasse (jetzt Maffeistraße Nr. 18) verkaufte man 1827 an den Lokalschulfond um 11000 Gulden. Das Geschlecht der Kazmair kommt von 1318 an durch das 14. und 15. Jahrhundert als eines der bedeutendsten und reichsten Münchens vor und hatte das Familienbegräbnis in der ehemaligen St. Michaelskapelle (s. Frauenplatz), das nach Abbruch derselben 1486 in die Frauenkirche auf den vorletzten Altar der Epistelseite übertragen wurde. Das nordwestliche Eckhaus des ehemaligen .,Schleckergäßchens« (s. Rindermarkt) war einst im Besitze der Patrizierfamilie Kazmair und wurde deshalb längere Zeit »Katzeneck« genannt. In der Kirche der Elisabethinerinnen in der Mathildenftraße befindet sich linker Hand beim Eingange ein großer «Grabstein in der Mauer, der vordem das Grab der Münchener Patrizierfamilie der Katzmair schmückte und von dem es unerklärlich ist, wie er hieher kam. Der erste Blick schon läßt erkennen, daß er Uksprünglich einen anderen Platz gehabt und erst später hieher übertragen wurde. Derselbe ist ans rotem Marmor gemeißelt, wie man ihn bei Tegernsee bricht, und besteht aus einem älteren Teile, der nur Schriftzeichen trägt und mehr breit als hoch ist. Unten ist an ihn ein fast dreimal so hoher gleicher Stein derselben Sorte angefügt. Auf demselben sieht man in Flachrelief zwei Pilaster im Renaissanestil, welche mit dem darüber gespannten flachen Bogen eine Art Nische bilden. Die Bogenzwickel zeigen je einen gekrönten bärtigen Kopf und zierliches Laubwerk. Unter diesen Köpfen befindet sich zu beiden Seiten je ein Knabe, deren einer ein Steckenpferd führt, während der andere ein Windrädchen in der Hand trägt. Beide halten mit der freien Hand die in Quasten auslaufenden Enden einer Kugelschnur, welche in ihrem mittleren Teile zu einem üppigen Frucht- gewinde anschwillt. Jn diesem Raume nun hat ein Familienwappen Platz gefunden, dessen Schild, Helm und Helmdecke im Gegensatz zur Umrahmung in streng gotischen Stilformen gehalten sind. Schild und Helmzier zeigen eine nach links schauende Katze. Dem mittleren Steine ist unten ein dritter angefügt, auf welchem eine jugendliche Frauen- gestalt, das Haupt auf ein Kissen gebettet, mit gekreuzten Händen ausgestreckt liegend dargestellt ist. Auch hier läßt sich der Einfluß der Renaissance unmöglich verkennen und ist die Behandlung der Formen von echt künstlerischem Geiste durchweht; namentlich erinnert die des Gewandes, das den Körper nur leicht verhüllt und sich ihm überall eng anschmiegt, an gute antike Vorbilder. Der oberste uud zugleich ältere Marmor trägt folgende Inschrift: Johannes. Katzmaiijr. obt. anno. dm· millesimo. ccclxxxiiij. an. sand. andres. abend. — A. dmi. mcecciiij. starb. jörg Katz- mair. des. freytags. nach. dem. weissen. sontang-· —- Anno dm. m. cecexx. starb. hanns. Katzmair a. sand. gallen. tag. den. gott. genaedig. wolle. sein. amen. Auf dem untersten Stein steht unter der jugendlichen Frauen- gestalt zu lesen: anno. dm. 1520. des X. tags. octobris. starb. junkfrau Barbara. niclas. Katzmairs. dochter. hie. begraben. D. g. g. Und darunter: Wer bist du — der du bist war ich und der ich bin wirst du werden. Die Katzmairstraße führt ihren jetzigen Namen seit 28. Septem- ber 1877, resp. 1. Januar 1878.

*) Lipowsky, Urgeschichte l, 253. **) Vgl. Mayer, Münchener Stadtbuch S. 135 ff. ***) Vgl. Geist S. 354. — (Nach anderen am 5. März 1417). ****) Vgl. A. Huhn S. 406.


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