Veranstaltungen - Geschichte - Kunst & Denkmal
Straße | von | Grund | bis | Grund |
---|---|---|---|---|
Von-Kahr-Straße | 1947 | Umbenennung | Kein Grund angegeben |
Sehr geehrte Herren,
gestatten Sie mir bitte, heute nochmals auf die oben bezeichnete Angelegenheit zurückzukommen.
Vor mehreren Jahren habe ich den Bezirksauschuß des 38. Stadtbezirkes schriftlich gebeten, für die gebotene Umbennung der Von-Kahr-Straße bei der Stadtverwaltung zu plädieren. Leider habe ich in der Angelegenheit nichts mehr gehört. Die ominöse Straßenbezeichnung existiert nach wie vor.
Es ist paradox, daß eine demokratisches Gemeinwesen wie München einen ausgesprochenen Gegner dr Demokratie durch Benennung einer Straße ehrt und ihm so ein Denkmal setzt. Man lasse sich nicht davon täuschen, daß von Kahr zu Beginn des Dritten Reiches umkam und dadurch, gewisseermaßen durch die Hintertür, in die Reihe der Opfer des Dritten Reiches einging.
Es würde hier zu weit führen, auf die politischen Verhältnisse der ersten zwanziger Jahre auch nur annähernd einzugehen. Es sei daher festgestellt, daß von Kahr als Generalstaatskommisar der "Ordnungszelle" Bayern Verbünteter Hilers war. Seine Bestrebungen und Maßnahmen richteten sich aktiv gegen die Demokratie und gegen die Weimarer Republik (siehe auch Artikel in der Süddeutschen Zeitung vom 9/10.11.1963 "Vor 40 Jahren" und Rundfunksendung am 9.11.1963, 2. Programm, 20.05 Uhr "Hackenkreuz am Stahlhelm". Historische Tatsache ist, daß von Kahr der Steigbügelhalter Hitlers war.
Durch den anstehenden Ausbau der Von-Kahr-Straße wächst dieser Straße eine erheblich größere Bedeutung zu. Daher ist es umso mehr angebracht, sie alsbald umzubenennen. Ich bitte Sie höflich, dafür einzutreten.
Mit vorzüglicher Hochahchtung
gez. Hans Rieger
Anliegend wird ein Antrag des II. Vorsitzenden des Bürgervereinigung von Obermenzing, Herrn Hans Rieger, Schlehbuschstraße 10, auf Umbenennung der Von-Kahr-Straße übermittelt.
Der Bezirksausschuss 38 hat in seiner Sitzung vom 4.12.1963 auf Grund der Darlegungen des Herrn Rieger einstimmig beschlossen, diesen Antrag zu befürworten.
Im Münchner Adressbuch 1963 findet sich auf Seite 885 folgender Eintrag:
Von-Kahr-Straße
1. Gust.v.Kahr, *28.11.1833 Neustadt/Aisch, +31.10.1905 München, Rechtsgelehrter, Präsident des Bayer. Verwaltungsgerichtshofes
2. Gust.v.Kahr, *29.11.1862 Weißenburg, +Juni 1934 im Konzentrationslager Dachau als Opfer des Nationalsozialsmus, Staatsrat, Reg.-Präsident
Wir sind nicht dafür, daß die Straßenbezeichnung Von-Kahr-Straße evtl. nur für den bereits 1905 verstorbenen Gustav von Kahr weiterbestehen soll, weil das Publikum bei Nennung der Von-Kahr-Straße doch immer nur an den ehemaligen Generalstaatskommisar Gustav von Kahr denken würde.
Hochahchtungsvoll
hez. Bieringer
1. Vorsitzender
Anlagen:
1 Abschrift des Schreibens von Hern Hans Rieger vom 16.11.1963 und
1 Abschrift des Schreibens des Bezirkausschusses des 38. Stadtbezirkes vom 6.12.1963
Sehr geehrter Herr Archivdirektor!
Mit den in Abschrift beigelegten Schreiben vom 16.11.1963 und vom 6.12.1963 wurde beantragt, die am 22.4.1947 benannte "Von-Kahr-Straße" umzubenennunen, weil der ehemalige Generalstaatskommissar Gustav vom Kahr der Steigbügelhalter" Hitlers gewesen sei.
Unter Ihrem Vorsitz hielt im Historischen Verein von Oberbayern am 23.3.1964 Herr Oberregierungsarchivrat Dr. Zettl einen Vortrag mit dem Thema "Gustav von Kahr, ein bayerischer Politiker im Zwielicht". Zur Klärung der Frage, ob die gegen Gustav von Kahr erhobenen Vorwürfe zutreffen, wären wir für eine baldgefl. gutachtliche Stellungsnahme außerordentlich dankbar.
Der in derselben Angelegenheit am 16.1.1964 angeforderte Straßenbenennungsakt Nr. 34 - Straßenbenennungen des Jahres 1947/II, abgegeben am 13.3.1962 - wird hier noch weiterhin benötigt, und wir bitten, den Rückgabetermin zu verlängern.
Mit vorzüglicher Hochachtung
Dr. Koenig
städt. Oberwirtschaftsrat
An das
Referat für Tiefbau und Wohnungswesen
Gruppe Wohnungsbau - E 1 c
Nachdem aus dem Straßenbenennungsakt (Nr. 34 - 1947/II) nicht entnommen werden kann, auf wen die Anregung zur Benennung der Von-Kahr-Straße zurückgeht, ist zur Sache folgendes zu bemerken:
Der älter Gustav von Kahr war ein hervoragender Jurist und verdienter bayerischer Verwaltungsbeamter. Auch der umstrittene jüngere Gustav von Kahr war ein außerordentlicher tüchtiger bayerischer Verwaltungsjurist und gehört zu den verdienstvollsten Mitbegründern bayerischer Heimatpflege. Er war von einem hohen Berufsethos und unbedingter Achtung vor dem Recht erfüllt. Auch wenn man v. Kahrs politische Einstellung - er war kleindeutscher Nationalist (Bismarkianer) und bayerischer Monarchist - für kurzsichtig hält, wird ihm kein ernsthafter Historiker den Vorwurf machen, daß er ein "ausgesprochener Gegner der Demokratie" und ein "Steigbügelhalter Hitlers" gewesen sei.
Auf Grund seiner höchst zwielichtigen Haltung während des Hitlerputsches spielte er nach 1924 keinerlei politische Rolle mehr. Die Nationalsozialisten betrachteten von Kahr als "Veräter" und liquidierten ihn anläßlich des Röhmputsches 1934.
Seit der Benennung der Von-Kahr-Straße sind keine bisher unbekannte Tatsachen über von Kahr bekannt geworden, die eine Umbenennung sachlich rechtfertigen würden. Das Stadtarchiv rät daher von einer Umbenennung ab.
Dr. Schattenhofer
Archivdirektor